Ich-Struktur-Test Handbuch

Kapitel 9: Validität

Günter Ammon, Gisela Finke, Gerhard Wolfrum

9 Validität

9.1 Interkorrelation der ISTA-Skalen in der Patientengruppe

Interkorrelation der ISTA-Skalen in der Patientengruppe sind in Tabelle 11 dargestellt.

Tabelle 11: Interkorrelation der ISTA-Skalen untereinander (Klinikpatienten, N = 134)

Tabelle 11: Interkorrelation der ISTA-Skalen untereinander (Klinikpatienten, N = 134)

Auch in der Klinikgruppe liegen die Interkorrelationen in den zu erwartenden Richtungen. Die konstruktiven Ausprägungen korrelieren untereinander signifikant positiv und negativ mit den destruktiven und defizitären Skalen. Die Skalen, die eher eine pathologische Entwicklung umschreiben, korrelieren positiv.

Im einzelnen sei auf einige Zusammenhänge hingewiesen, die die Konstrukte validieren. So korreliert konstruktive Aggression am höchsten mit dem konstruktiven Narzissmus (.66), was auf die Gemeinsamkeit von Aktivität und Umweltgerichtetheit und einem positiven Selbstbild und Selbstwertgefühl verweist. Die Skala der destruktiven Aggression korreliert am höchsten mit defizitärer Angst (.47) und destruktivem Narzissmus (.46), d.h. in der destruktiven Aggression drückt sich narzisstische Wut aus, gepaart mit nicht bewusst gespürter Angst.

Bei der defizitären Aggression bildet sich ein starker Zusammenhang zur destruktiven Angst (.64), defizitären Abgrenzung nach außen (.69), destruktiven Abgrenzung nach innen (.66) und dem defizitären Narzissmus (.67) ab; ein Cluster, welches typisch für depressive Störungen ist.

Die Skala zur konstruktiven Angst korreliert mit .69 am höchsten mit der Skala zur konstruktiven Abgrenzung nach innen. Die Fähigkeit, Angst angemessen verarbeiten zu können, hängt also relativ eng mit dem Zugang ab, den ein Mensch zu seinem Unbewussten und damit zu seinen Gefühlen hat. Destruktive Angst hat (neben der bereits erwähnten defizitären Aggression) v.a. auch auch mit defizitärer Abgrenzung nach außen zu tun (r = .67) — der Mensch fühlt sich vermeintlichen Gefahren hilflos ausgeliefert und besitzt wenig Kontrollüberzeugung.

Die defizitäre Angst korreliert interessanterweise am höchsten mit defizitärer Abgrenzung nach innen (.56) — dies könnte erklären, warum Menschen mit viel defizitärer Angst den „Nervenkitzel“ suchen, nämlich als Ersatz für fehlende Ich-Grenzen.

Konstruktive Abgrenzung innen korreliert am ausgeprägtesten mit konstruktiver Angst (.69; s.o.); destruktive Abgrenzung innen mit defizitärer Aggression (s.o.), aber auch defizitärer Abgrenzung außen (.66) und defizitärem Narzissmus (.63).

Die Skalen zur Sexualität weisen mit den anderen Testskalen geringere Korrelationen auf, d.h. sie zeigen sich als relativ unabhängig. Dies liegt u.a. auch daran, dass einige Probanden bei der Beantwortung dieser Fragen stärker von Wunschvorstellungen als von der realen, gelebten Sexualität geleitet werden. Im ISTA ist Sexualität zwar v.a. als „Potential“ konzeptualisiert ist, zu dem sicherlich auch Wünsche und Phantasien beitragen. Wie sich dieser Zusammenhang jedoch im Testergebnis abbildet, muß noch untersucht werden.

Im Vergleich zur Eichstichprobe zeigen sich einige Besonderheiten. So ist insbesondere die destruktive Aggression nur schwach oder gar nicht mit den konstruktiven Skalen verbunden. Damit bekommt ein mögliches destruktives Potential eine andere Qualität.

9.2 Faktorielle Validität

Zur Bestimmung der Binnenstruktur des ISTA wurden Hauptkomponentenanalysen auf Skalenebene für die Eichstichprobe und für die Patientengruppe getrennt berechnet. Es wurden Varimax-Lösungen für die Faktoren mit Eigenwerten über 1 berechnet.

9.2.1 Eichstichprobe

In Tabelle 12 sind die Ergebnisse der Faktorenanalyse in der Eichstichprobe dargestellt.

Tabelle 12: Faktorenstruktur (Varimax-Rotation) in der Eichstichprobe

Tabelle 12: Faktorenstruktur (Varimax-Rotation) in der Eichstichprobe

Die Varimax-Rotation führt bei Beachtung des Eigenwertkriteriums zu 3 Faktoren. Wir finden einen Pathologie-Faktor, den man als „psychische Krankheit“ bezeichnen kann, auf dem alle Defizitär-Skalen liegen, sowie die destruktive Angst, destruktive Abgrenzung nach außen und innen und den destruktiven Narzissmus. Auf dem zweiten Faktor liegen alle Konstruktiv-Skalen mit Ausnahme der konstruktiven Sexualität, die nicht eindeutig zuzuordnen ist. Der dritte Faktor wird gebildet durch destruktive Aggression und destruktive Sexualität. Die konstruktive Sexualität lädt fast gleich stark auf dem zweiten und dem dritten Faktor. (vgl. auch Tabelle 13)

Tabelle 13: Zuordnung der ISTA-Skalen zu drei Faktoren (Eichstichprobe, Varimax-Rotation)

Tabelle 13: Zuordnung der ISTA-Skalen zu drei Faktoren (Eichstichprobe, Varimax-Rotation)

Zur Interpretation der drei Faktoren bietet es sich an, den ersten Faktor als eine eher „statische Form von Pathologie“ zu qualifizieren. Die auf ihm hoch ladenden Skalen führen auf der Verhaltensebene eher zu Einengung, Arretierung oder Passivität. Der zweite Faktor erweist sich eindeutig als Maß für „psychische Gesundheit“. Der dritte Faktor könnte als Einfluß einer eher „dynamischen Form von Pathologie“ verstanden werden. Destruktive Aggression und destruktive Sexualität implizieren, im Unterschied zu den defizitären Komponenten, aber auch z.B. der destruktiven Angst oder Abgrenzung, noch eine Zielgerichtetheit und damit auch höhere Strukturiertheit des entsprechenden Verhaltens.

9.2.2 Klinikpatienten; Aufnahmewerte zu Therapiebeginn

Tabelle 14: Faktorenstruktur (Varimax-Rotation) in der klinischen Stichprobe (N = 134)

Tabelle 14: Faktorenstruktur (Varimax-Rotation) in der klinischen Stichprobe (N = 134)

Im Unterschied zur Eichstichprobe wird bei den Klinikpatienten der dritte Faktor aus der konstruktiven und der defizitären Sexualität gebildet, die komplementär zueinander sind. Zusätzlich erscheint ein vierter Faktor, auf dem die destruktive Abgrenzung nach außen lädt. Die Skalen zur konstruktiven Abgrenzung nach außen und zur destruktiven Sexualität lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Destruktive Sexualität lädt nur schwach auf dem ersten Faktor; konstruktive Abgrenzung nach außen lägt nahezu gleich hoch auf den Faktoren zwei und drei.

Im Unterschied zur Eichstichprobe liefert die Faktorenanalyse in der Gruppe der Klinikpatienten (Aufnahmewerte) vier Faktoren, die 66,5 % der Varianz erklären.

Vergleicht man die Zuordnung der ISTA-Skalen zu Faktoren, ergeben sich weitgehende Übereinstimmungen bezüglich des ersten „Pathologie“-Faktors sowie auch eines zweiten Faktors „Gesundheit“. Auf dem ersten Faktor (37,7 % der Varianz) liegen alle destruktiv und defizitär Skalen mit Ausnahme der destruktiven Abgrenzung nach außen und der defizitären Sexualität. Der zweite Faktor (16,3 % der Varianz) wird gebildet durch die Skalen, die konstruktive Ausprägungen erfassen mit Ausnahme der konstruktiven Sexualität. Diese bildet einen eigenständigen dritten Faktor, der 7,2 % der Varianz erklärt; auf diesem lädt auch hoch negativ, d.h. komplementär, die defizitäre Sexualität. Die Skala der destruktiven Abgrenzung nach außen bildet schließlich einen eigenständigen vierten Faktor (5,6 % der Varianz).

Tabelle 15: Zuordnung der ISTA-Skalen zu vier Faktoren (Varimax-Rotation)

Tabelle 15: Zuordnung der ISTA-Skalen zu vier Faktoren (Varimax-Rotation)

Als Ergebnis der Faktorenanalysen ist festzuhalten:

  1. Insgesamt bestätigt die Faktorenanalyse die postulierte Struktur des ISTA insoweit, dass konstruktive Ausprägungen jeweils einen Faktor bilden, während destruktive und defizitäre Ausprägungen sich auf einem bzw. mehreren anderen Faktoren gruppieren.
  2. Zwischen der Normalbevölkerung und der Patientenstichprobe ergeben sich Unterschiede in der faktoriellen Struktur. So wird ein verschieden hoher Prozentsatz der Varianz durch einen Faktor „psychische Gesundheit“ erklärt - in der Eichstichprobe 24,6 %, bei den Patienten 16,3 Prozent.
  3. Eine Sonderrolle in der Patientengruppe spielt die Destruktive Angrenzung nach außen, die hier einen eigenen Faktor markiert. Die Offenheit bzw. „Abgeschottetheit“ nach außen, d.h. gegenüber anderen Menschen und Erfahrungen hat bei psychisch kranken Menschen eine besondere Funktion. Sie führt in extremer Ausprägung zu einer paranoiden Abkapselung und dürfte sich in der Psycho- therapie als prognostisch ungünstig erweisen.
  4. Ebenfalls eine Sonderrolle spielen die Skalen zur Sexualität. Hier ist zu vermuten, dass die Be- antwortung der Fragen mit am stärksten von „sozialer Erwünschtheit‘“ bzw. persönlichem Wunsch- denken beeinflußt wird.

In der Eichstichprobe bilden die Skalen zur destruktiven Aggression und destruktiven Sexualität einen gemeinsamen Faktor, der, wie bereits ausgeführt, als zwar abweichendes, aber immerhin zielgerichtes Verhalten interpretiert werden kann. Auch die konstruktive Sexualität lädt mit .67 hoch auf diesem Faktor (allerdings fast gleichhoch mit .62 auch auf dem „Gesundheitsfaktor“). Konstruktive und destruktive Sexualität erweisen sich somit in der Eichstichprobe als nicht voneinander unabhängig, wobei der Frage nach dem Verhältnis von sexuellen Phantasien und realem Verhalten nachzugehen wäre.

In der Patientengruppe liegen konstruktive und defizitäre Sexualität mit umgekehrten Vorzeichen auf einem gemeinsamen Faktor. Man könnte hier also von der einen Skala auf die andere schließen. Dies erscheint auch plausibel, denn wer vorrangig konstruktiv in einem Merkmal ist, kann nicht gleichzeitig darin auch defizitär sein. Allerdings ist zu bemerken, dass bezüglich Aggression, Angst, Abgrenzung und Narzissmus diese Komplementarität nicht besteht. Zudem wäre zu erwarten, dass die konstruk- tive Sexualität zumindest in mittlerer Stärke mit den anderen konstruktiv Skalen kovariiert. Auch dies deutet darauf hin, dass von den Patienten die Fragen zur Sexualität anders behandelt wurden als die Items der übrigen Skalen, und zwar in Richtung einer Erwünschtheit oder auch Dissimulation. Die Konsequenzen für die Testanwendung und -auswertung werden in Kapitel 4 diskutiert (vgl. hierzu auch den Vergleich der Mittelwerte zwischen klinischer Gruppe und Eichstichprobe).

9.3 Beziehungen zu anderen Verfahren

Zum Kreuzvergleich mit anderen etablierten klinischen Tests im Sinne einer Überprüfung der externen Validität standen für die Patientengruppe der Gießen-Test (Beckmann u. Richter, 1975), der Life Style Index (LSI) (Pluchik, Conte, 1989), der MMPI (Harthaway, McKinley, 1977) die Symptom Check List (SCL-90, Franke, 1996) und der HAWIE-R (Tewes, 1991) zur Verfügung. Alle Verfahren werden im Rahmen der Aufnahmediagnostik der Klinik routinemäßig zusammen mit dem ISTA vorgegeben.

9.3.1 Gießen-Test (GT)

Die Korrelationen des ISTA mit dem Gießen-Test (GT) sind in Tabelle 16 dargestellt. Der GT ist, ähnlich wie der ISTA, ein an einem psychoanalytischen Persönlichkeitsmodell orientierter Persönlichkeitstest.

Kurzbeschreibung der Skalen des Gießen-Test (nach Beckmann u. Richter, 1975)

GT-Skala Beschreibung
Soziale Resonanz „negativ sozial resonant“ (NR) unattraktiv, unbeliebt, missachtet, in der Arbeit kritisiert, nicht durchsetzungsfähig
„positiv sozial resonant“ (PR) anziehend, beliebt, geachtet, in der Arbeit geschätzt
Dominanz „dominant“ (DO) häufig in Auseinandersetzungen verstrickt, eigensinnig, gern dominierend, ungeduldig
„gefügig“ (GE) selten in Auseinandersetzungen, fügsam, gern sich unterordnend, geduldig
Kontrolle „unterkontrolliert" (UK) unbegabt im Umgang mit Geld, unordentlich, eher bequem, unstetig, fähig zum Ausgelassensein
„überkontrolliert” (ZW) begabt im Umgang mit Geld, überordentlich, übereifrig, stetig, unfähig zum Ausgelassensein
Grundstimmung „hypomanisch“ (HM) selten bedrückt, wenig zur Selbstreflektion neigend wenig ängstlich, kaum selbstkritisch, Ärger eher herauslassend, eher unabhängig
„depressiv“ (DE) häufig bedrückt, stark zur Selbstreflektion neigend, sehr ängstlich, sehr selbstkritisch, Ärger eher hineinfressend, eher abhängig
Durchlässigkeit „durchlässig“ (DU) aufgeschlossen, anderen nahe, eher viel preisgebend, eher vertrauensselig, intensiv in der Liebe erlebnisfähig
„retentiv“ (RE) verschlossen, anderen fern, eher wenig preisgebend, eher misstrauisch, in der Liebe wenig erlebnisfähig
Soziale Potenz „sozial potent“ (PO) gesellig, sexuell unbefangen, sehr hingabefähig, deutlich konkurrierend, fähig zur Dauerbindung, phantasiereich
„sozial impotent“ (IP) ungesellig, sexuell befangen, wenig hingabefähig, kaum konkurrierend, kaum fähig zur Dauerbindung, phantasiearm

Die Korrelationen zwischen den ISTA-Skalen und den Skalen des GT liegen in der erwarteten Richtung und Stärke. Im Folgenden sollen nur die jeweils höchsten Korrelationen kommentiert werden (hierbei ist die Polung der GT-Skalen zu beachten).

Mit der GT-Skala „Soziale Resonanz“ korrelieren am höchsten der konstruktive Narzissmus (.51) und der defizitäre Narzissmus (-.56). Defizitärer Narzissmus hat viel gemein mit „negativer Resonanz“ des sich unbeliebt und missachtet fühlen. Konstruktiver Narzismuß hängt entsprechend mit positiver Resonanz zusammen.

„Dominanz“ korreliert schwach negativ mit destruktiver Aggression und konstruktiver Angst, wobei die destruktive Aggression vermutlich die negativen Seiten der Dominaz i.S. einer Unterdrückung anderer anspricht, die konstruktive Angst eher die Fähigkeit zur Auseinandersetzung.

Mit der GT-Skala „Kontrolle“ finden sich interessanterweise keine signifikante Korrelationen der ISTA-Skalen.

Die „Grundstimmung“ korreliert am höchsten mit der defizitären Aggresssion (.59) i.S. der Depression, der destruktiven Angst (.54) („sehr ängstlich“, vgl. Tab. 16) und der defizitären Abgrenzung nach innen i.S. der starken Neigung zur Selbstreflektion verstanden als Grübeln.

Zur „Durchlässigkeit“ ergibt sich eine negative Korrelation mit dem konstruktiven Narzissmus (-.54) und der konstruktiven Angst (-.50) und auch der konstruktiven Sexualität (-.36) i.S. der Aufgeschlossenheit anderen gegenüber und der Fähigkeit zur (Selbst) Liebe. Eher „retentiv“ erweisen sich erwartungsgemäßig die defizitäre Aggression (.53) („anderen fern“), und die destruktive Abgrenzung nach außen (.48) und nach innen (.44) — „misstrauisch“, „wenig preisgebend“.

„Soziale Potenz“ korreliert, ähnlich wie „soziale Resonanz“, am höchsten mit dem konstruktiven Narzissmus (-.47).

Bei den Antworttendenzen ist interessant, dass Probanden, die im ISTA höhere Werte beim destruktiven Narzissmus erzielen, es eher vermeiden, „Mitte-Antworten‘“ zu geben, d.h. auszusagen, sie seien wie die meisten Menschen, und zu Extrem-Antworten neigen, d.h. den Unterschied zu den anderen zu betonen.

Insgesamt zeigt die Korrelationsmatrix Zusammenhänge in erwarteter Richtung, die jedoch nicht sehr hoch ausfallen, d.h. zwischen dem ISTA und dem GT gibt es zwar einige inhaltliche Überschneidungen, aber es ist auch eine gewisse Eigenständigkeit festzustellen.

Tabelle 16: Korrelation des ISTA mit dem Gießen-Test (GT), N = 84

Tabelle 16: Korrelation des ISTA mit dem Gießen-Test (GT), N = 84

9.3.2 Life Style Index

Der Life Style Index (Plutchik, Kellermann und Conte 1979) erfasst acht verschiedene Abwehrmechnismen, er erfüllt die teststatistischen Gütekriterien und geht von einem theoretisches Modell seiner Konstrukte aus.

Aus diesem Grund wurde der LSI von einer Arbeitsgruppe der diagnostischen Abteilung der Klinik Menterschwaige ins deutsche übersetzt und validiert (vgl. Burbiel, 1994; Burbiel und Finke, 1997).

Kurz-Beschreibung der LSI-Abwehrmechanismen (Conte u. Plutchik)

  • Leugnen: Mangel an Aufmerksamkeit gegenüber bestimmten Ereignissen, Erfahrungen oder Gefühlen, deren Kenntnisnahme schmerzhaft sein würde Verdrängung (sowie Isolieren, Introjektion): Ein Gedanke oder eine VWahrnehmung und die damit verbundenen Gefühle werden vom Bewusstsein ausgeschlossen; so können traumatische Erfahrungen ohne die ursprünglich mit ihnen verbundene Angst verarbeitet werden.
  • Regression (sowie Ausagieren): Unter Streß wird auf frühere oder unreifere Verhaltensmuster oder Befriedigungquellen zurückgegriffen; die Angst, die durch verbotene Impluse geweckt wird, wird reduziert, ohne dass Schuldgefühle entwickelt werden.
  • Kompensation (sowie Identifikation, Phantasie): Versuch, ein passendes Substitut für eine reale oder vermeintliche eigene Schwäche zu finden, unbewusstes Ändern von Einstellungen und Verhalten nach dem Bild einer anderen Person, um das Selbstwertgefühl zu erhöhen oder Verluste zu kompensieren; Rückzug in die Phantasie, um realen Problemen auszuweichen oder Konflikte zu vermeiden.
  • Projektion: Unbewusste Ablehnung von eigenen, nicht akzeptablen Gedanken, Wünschen, Eigenschaften und deren Attribuierung auf andere.
  • Verschiebung: Übertragung von abgelehnten Gefühlen, gewöhnlich von Ärger und Wut, aufandere Objekte, Tiere oder Menschen, die ungefährlicher erscheinen als die, die ursprünglich diese Gefühle weckten.
  • Intellektualisieren (sowie Sublimieren, Rationalisieren, Ungeschehenmachen): unbewusste Kontrolle von Gefühlen und Impulsen durch exessives intellektuelles Erklären von Situationen: Ersetzung eines unterdrückten Instinkts oder unakzeptablen Gefühls, speziell sexueller oder aggressiver Natur, durch sozial akzeptierte Alternativen.
  • Reaktionsbildung: Verhinderung des Ausdrucks von inakzeptablen Wünschen, vor allem sexueller und aggressiver Art, durch die Entwicklung oder Übertreibung gegenläufiger Einstellungen und Verhaltensweisen.

Die Korrelationen der ISTA-Skalen mit den Skalen des LSI sind Tabelle 19 zu entnehmen. Wir betrachten die jeweils höchsten positiven Zusammenhänge.

„Leugnen“ korreliert interessanterweise nur mit dem „konstruktiven Narzissmus“, was darauf verweist, dass die Fähigkeit zum Leugnen oder „übersehen“ unangenehmer Ereignsse durchaus gesund sein kann.

„Verdrängung“ korreliert am höchsten mit destruktivem Narzıßmus (.48) und destruktiver Abgrenzung nach außen (.42) — hier spiegeln sich der gestörte Realitätsbezug und die Abschottung gegenüber der Außenwelt wieder.

Mit der Skala „Regression“ korrelieren gleich hoch (.51) defizitäre Aggression, defizitäre Abgrenzung außen und destruktiver Narzissmus, wobei der destruktive Narzissmus wiederum zur Abspaltung von der Realität beitragen dürfte, während in defizitärer Aggression und defizitärer Abgrenzung innen eher die Ursachen für abzuwehrende, „verbotene Impulse“, Ängste und Schuldgefühle zu suchen sind.

Defizitäre Abgrenzung nach außen bildet mit der LSI-Skala „Kompensation“ den insgesamt höchsten positiven Zusammenhang, wobei dieser Abwehrmechanismus (vgl. Tab. 17) u.a. von den Autoren als „unbewusstes Ändern von Einstellungen und Verhalten nach dem Bild einer anderen Person“ operationalisiert wurde — ein Anpassungsmechanismus, der auch bei der Operationalisierung der defizitären Abgrenzung nach außen eine wichtige Rolle spielt.

Die „Projektion“ korelliert mit .37 moderat mit defizitärer Abgrenzung innen und destruktivem Narzissmus; „Verschiebung“ ausgeprägt (.52) mit der destruktiven Aggression, wobei dieser Abwehrmechanismus vorrangig Ärger und Wut auf andere attribuiert.

Die „Intellektualisierung erweist schließlich einen Zusammenhang zum destruktiven Narzissmus (.42) wie auch — schwächer — die Reaktionsbildung (.30).

Es ist insgesamt keine der Ich-Funktionen, wie sie im ISTA erfasst werden, eindeutig und ausschließlich einem der Abwehrmechanismen zuzuordnen. Es zeigt sich aber, dass sowohl von der Zahl und der Höhe der Korrelationen insbesondere der destruktive Narzissmus (7 positive signifikante Korrelationen), die destruktive Angst (6 signifikante positive Korrelationen), die defizitäre Aggression (5 signifikante positive Korrelationen), die destruktive und defizitäre Abgrenzung nach außen (jeweils 4 signifikante Korrelationen), und die defizitäre Abgrenzung nach innen (4 signifikante Korrelationen), bei der Wahl von Abwehrmechanismen anscheinend eine Rolle spielen.

Es handelt sich um Humanfunktionen, die sowohl einzeln als auch in der Kombination insbesondere der Kontaktabwehr dienen. Es zeigt sich aber auch, dass es bei Abwehrmechanismen nicht alleine um die Abwehr von (destruktiver) Angst geht, sondern es sich offenbar um ein komplexeres Geschehen handelt.

Die konstruktiven Ausprägungen korrelieren insgesamt sigfikant negativ mit den LSI-Skalen bzw. nicht bedeutsam.

Tabelle 17: Korrelation des ISTA mit dem Life Style Index (LSI)

Tabelle 17: Korrelation des ISTA mit dem Life Style Index (LSI)

Tabelle 19: Korrelation des ISTA mit dem Life Style Index (LSI)

Tabelle 19: Korrelation des ISTA mit dem Life Style Index (LSI)

9.3.3 Zusammenhänge mit dem MMPI

Der MMPI ist ein umfangreiches psychiatrisches Inventar, das im wesentlichen Symptome und Syn- drome verschiedener psychiatrischer Krankheitsbilder auf 10 klinischen Skalen und 3 Zusatzskalen misst.

Kurzbeschreibung der MMPI-Skalen (nach Hathaway u. McKinley)

MMPI-Skala Beschreibung
(HS) Hypochondrie Neigung zu körperlichen Beschwerden, Pessimismus ...
(D) Depression Depression, Mutlosigkeit, subjektive Erschöpfung ...
(HY) Hysterie Unreife, großes Bedürfnis nach sozialer Billigung und Beliebtheit ...
(PD) Psychopathie Unverantwortlich, impulsiv, egozentrisch, non-konformistisch, mögliche Probleme mit Alkohol, Drogen ...
(PA) Paranoia Aggressivität, Feindseligkeit, Argwohn, Überempfindlichkeit ...
(PT) Psychasthenie Selbstunsicherheit, Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit ...
(SC) Schizoidie in sich zurückgezogen, sich abschließend, bizarres Denken und Verhalten, Trennung zwischen Denkweise und Realität ...
(MA) Hypomanie Enthusiastisch, nicht ausdauernd, ruhelos, überaktiv ...
(SI) Soziale Introversion/Extraversion Rückzug von sozialem Kontakt

Die Korrelationen der ISTA-Skalen mit den klinischen Skalen des MMPI (Kurzform von Gehring & Blaser, 1982) finden sich in Tabelle 18.

Die ISTA-Skalen, die die konstruktiven Ausprägungen messen (konstruktive Aggression, konstruktive Angst, konstruktiver Narzissmus) korrelieren insgesamt negativ mit den MMPI-Skalen mit Ausnahme der Skala MA (Hypomanie). Umgekehrt korrelieren die ISTA-Skalen, die destruktive und defizitäre, also tendenziell pathologische Ausprägungen erfassen, erwartungsgemäß positiv mit den MMPI-Skalen. Auch die Betrachtung der Einzelkorrelationen unterstützt das Kriterium der Konstrukt-Validität. So korreliert die Konstruktive Aggression erwartungsgemäß hoch negativ mit der Symptomatik der Depression (Skala D, r = -.45) und dem Rückzug von sozialem Kontakt (SI, r = -.50). Destruktive Aggression korreliert positiv insbesondere mit den MMPI-Skalen PA (Paranoia, r = .55) und PT (Psychasthenie, r = .48). Weitere Erläuterungen finden sich z.B. bei Burbiel et al. (1989, 1990, 1993).

Tabelle 18: Korrelation des ISTA mit dem MMPI (N = 77)

Tabelle 18: Korrelation des ISTA mit dem MMPI (N = 77)

9.3.4 Symptom Check List (SCL-90)

Die Korrelationen der ISTA-Skalen mit den neun Skalen der SCL-90 finden sich in Tabelle 19. Auch hier korrelieren, analog zum MMPI, zunächst einmal die konstruktiven ISTA-Skalen stringent negativ oder nicht signifikant mit der psychopathologischen Symptomatik, während die destruktiven und defizitären Ausprägungen signifikant positiv korrelieren.

Die Korrelationen zwischen den ISTA-Skalen und den Symptombereichen der SCL-90 zeigen, dass zwischen den Humanfunktionen einerseits und einer spezifischen Symptomatik andererseits kein eindeutiger Zusammenhang besteht. Vielmehr bilden sich in der Regel Cluster, in denen mehrere Humanfunktionen mit einer Symptomatik in Zusammenhang stehen. Besonders augenfällig ist dies bei „Zwang“, „Unsicherheit“, „Depression“ und „Psychotizismus“. Quer gelesen zeigt die Korrelationstabelle, dass insbesondere die defizitäre, d.h. starr offene Abgrenzung nach innen mit einer psychischen Symptomatik einhergeht, insbesondere mit „Psychotizismus“ (.60), „Zwang“ (.56) und „Depression“ (52). Demgegenüber erweist sich die destruktive Abgrenzung nach innen als eine Art Barriere gegenüber offener Symtomatik und korreliert nur mit der Skala Psychotizismus (.34).

Betrachten wir die jeweils ausgeprägtesten Zusammenhänge, so paart sich die Zwangssymptomatik v.a. mit destruktiver Angst (.50) und defizitärer Abgrenzung nach innen (.56) - der Zwang wehrt die destruktive Angst ab und stellt einen Abgrenzungsersatz dar. „Unsicherheit“ und „Depression“ wei- sen ein ähnliches Muster auf und korrelieren positiv v.a. mit dem pathologischen Narzissmus, defizitärer und destruktiver Aggression, destruktiver Angst und pathologischer Abgrenzung nach außen.

„Angst“ korreliert am höchsten mit defizitärer Abgrenzung innen (.44) und destruktiver Angst (.40); „Aggression“ mit destruktiver Aggression (.42), „Phobie‘“ mit destruktiver Angst (.49). Mit der Skala „Paranoia“ korreliert der destruktive Narzissmus (.35) und spiegelt hier die Problematik des sich von anderen nicht verstanden fühlen wieder.

Sowohl für die Korrelationen des ISTA mit dem MMPI als auch mit der SCL-90 ist zu berücksichtigen, dass der ISTA sehr wenige Items enthält, die direkt nach einer psychopathologischen Symptomatik fragen.

9.3.5 Zusammenhang mit der Intelligenz

Zwischen den ISTA-Skalen und der Intelligenz, gemessen mit den Subtests des HAWIE sowie dem Verbal-, Handlungs- und Gesamt-IQ finden sich keine signifikanten Korrelationen. Der ISTA erweist sich damit als unabhängig vom Intelligenzniveau der Probanden.

Eine Ausnahme stellt der HAWIE- Subtest „Bilderordnen‘“ dar, der auch als Hinweis auf „soziale Intelligenz“ interpretiert werden kann. Bilderordnen korreliert signifikant negativ mit destruktiver Aggression (-.36), destruktiver Angst (-.34), defizitärer Abgrenzung nach außen (-.32) und nach innen (-.38) und destruktivem Narzissmus (-.39).