Ich-Struktur-Test Handbuch

Kapitel 8: Reliabilität

Günter Ammon, Gisela Finke, Gerhard Wolfrum

8 Reliabilität

Die Trennschärfe der Items und die Reliabilität der Skalen wurde sowohl für die Eichstichprobe als auch für eine klinische Stichprobe von N = 134 Patienten der Klinik für Dynamische Psychiatrie, München, berechnet.

8.1 Die klinische Stichprobe

Die klinische Gruppe setzt sich aus allen Patienten zusammen, die zwischen dem 1. Januar 1996 und dem 1. September 1997 in die Klinik aufgenommen wurden und den ISTA vor bzw. zu Beginn der Behandlung ausgefüllt haben. Zwischen der Aufnahme und der Testung lagen zwischen einem und drei Tagen.

Die demografischen Daten und die Diagnosen der Patientengruppe sind in Tabelle 6 ersichtlich (zum Vergleich sind auch die entsprechenden Angaben der Eichstichprobe angeführt.

Tabelle 6: Demografische Beschreibung der Untersuchunsgruppen

Tabelle 6: Demografische Beschreibung der Untersuchunsgruppen

Tabelle 7: Diagnosen nach ICD-10 in der Patientengruppe (N = 134)

Tabelle 7: Diagnosen nach ICD-10 in der Patientengruppe (N = 134)

8.2 Itemstatistik in der Eichstichprobe und der Patientengruppe

Trennschärfe und Schwierigkeit der Testitems sind, nach Skalen aufgeteilt, in Tabelle 8 wiedergegeben.

Die Itemtrennschärfen (und demzufolge auch die innere Konsistenz) liegen in der Bevölkerungsgruppe meist unter denen der Patientengruppe. Eine Ursache dafür liegt darin, dass die Items auch Einstellungen und Verhaltensweisen abfragen, die bei psychisch unauffälligen Probanden eher selten sind. Hinzu kommt, dass psychische Krankheit das Verhaltensspektrum einengt und somit zu einer geringeren Variabilität führt, was sich in höheren Interkorrelationen der Items ausdrückt. Insgesamt erlaubt die Skalenreliabilität in der Eichstichprobe jedoch eine Anwendung des ISTA auch bei Fragestellungen der allgemeinen Persönlichkeitsdiagnostik. Mit gewisser Vorsicht zu interpretieren wären die Skalen zur Abgrenzung nach außen und innen. Die gesunde Abgrenzung nach außen und innen ist gekennzeichnet durch eine adäquate Flexibilität der Abgrenzungsstrategie in verschiedenen Situationen und „Rollen“. Psychisch relativ gesunde Menschen nehmen aktiv am Leben teil, suchen also im Grad der Privatheit verschiedene Situationen auf und können sich flexibel und situationangemessen abgrenzen, wobei speziell in der Abgrenzung nach außen (alpha = .58 in der Eichstichprobe, .73 bei Patienten) Feststellungen wie: „Am liebsten sind mir Menschen, die immer cool und souverän sind (Nr. 196)“, „Mit dem Verstand kommt man weiter als mit den Gefühlen‘ (Nr. 200) oder „Gefühle haben bei der Arbeit nichts zu suchen“ (Nr. 55) durchaus im Sinne eines Selbstschutzes, gepaart mit einer realistischen Einschätzung einer Situation, als angemessen betrachtet werden könnten.

Tabelle 8: Itemstatistik in der Eichstichprobe (N = 1001) und bei Patienten in der Klinik für Dynamische Psychiatrie (Aufnahmewerte vor Therapiebeginn, N = 134)

Tabelle 8: Itemstatistik in der Eichstichprobe (N = 1001) und bei Patienten in der Klinik für Dynamische Psychiatrie (Aufnahmewerte vor Therapiebeginn, N = 134)

Tabelle 9: Cronbach Alpha der ISTA-Skalen in der Eichstichprobe (N = 1001) und bei N = 134 Klinikpatienten (Aufnahmewerte)

Tabelle 9: Cronbach Alpha der ISTA-Skalen in der Eichstichprobe (N = 1001) und bei N = 134 Klinikpatienten (Aufnahmewerte)

8.3 Retest-Reliabilität

Die Retest-Reliabilität wurde an einer Gruppe von N = 46 Probanden (m = 21,w = 25, durchschnittliches Alter 39,8 Jahre) untersucht, die sich nicht in einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung befanden. Das Meßintervall betrug 2 bis 3 Monate.

Tabelle 10: Retest-Reliabilität der ISTA-Skalen

Tabelle 10: Retest-Reliabilität der ISTA-Skalen

8.4 Diskussion zur Reliabilität

Als Konsens gilt, dass die Reliabilität der Skalen .70 nicht unterschreiten sollte. Cattell (1973) widerspricht der Forderung nach einer möglichst hohen Konsistenz, in dem er argumentiert, dass eine hohe interne Konsistenz dazu führen kann, sehr enge und psychologisch triviale Variablen zu erfassen. Kline (1992a) stimmt dem insoweit zu, dass er die Obergrenze für alpha bei Persönlichkeitstests bei .90 ansetzt. Die Test-Retest Relıiabilität sollte bei einem Persönlichkeitstest ebenfalls .70 nicht unterschreiten. Bei der Beurteilung eines Reliabilitätskoeffizienten ist kritisch zu prüfen, inwieweit der Test nicht viele Items enthält, die sich lediglich gegenseitig paraphrasieren bzw. semantisch sehr ähnlich sind. Die Reliabilitätskoeffizienten des ISTA sind als befriedigend bis gut zu beurteilen.

Die Retest-Reliabilität zeigt, dass die erfassten Konstrukte zeitlich stabil sind, es sich also um Strukturmerkmale handelt. Die relativ niedrige Stabilität der Skalen zur konstruktiven und destruktiven Angst zeigt an, dass dies stärker fluktuierende Merkmale sind. Dies gilt auch für die destruktive und defizitäre Abgrenzung nach außen, die per Definitionem auch situationsspezifisch ist, weil sie die Öffnung der Person zur Umwelt beinhaltet.